Projektbeschreibung

von OBM Armin Ziegltrum

Das Angebot der Gebrüder Stieffell vom 17. Oktober 1824 gab uns erste wichtige Hinweise auf die Beschaffenheit der ursprünglichen Balganlage, es werden 6 Bälge mit der Größe 7‘ x 4‘ genannt. Durch die gründlichen Vorarbeiten des erzbischöflichen Orgelinspektors und Organisten an St. Alexander, Martin Dücker, wußten wir zudem von zwei Keilbälgen von Stieffell, die sich in der Orgel der Pfarrkirche zu Wintersdorf erhalten haben. Es handelte sich um 5-faltige Keilbälge aus Tannen- oder Fichtenholz.

Eine wichtige Frage war auch die nach dem ursprünglichen Standort des Gebläses. Hinter der Fassadenfenstern von St. Alexander verläuft auf der Höhe der Orgelempore quer zum Schiff ein Gang, der die seitlichen Emporen miteinander verbindet. Ihm vorgelagert ist die eigentliche Orgelempore, zu der sich der Gang mit drei Arkadenbögen öffnet. Der mittlere Bogen ist durch die Orgel verstellt. Dieser Bogen bot sich als einzig sinnvoller Standort an. Das Gebläse ist dort so nah wie möglich an der Orgel, die Tiefe des Bogens beträgt etwas mehr als 7‘ und es haben zweimal drei Bälge über- und nebeneinander Platz. Damit war auch geklärt, warum die originalen Balgseiten nicht im Verhältnis 1:2 zueinander standen.

Bei der Konstruktion des Balghauses orientierten wir uns an den Stichen aus "Die Kunst des Orgelbauers" von Dom Bedos, zum einen weil es eine solide schöne Konstruktion ist, zum anderen weil die Stieffells durchaus am französischen Orgelbau orientiert waren. Das Balghaus besteht aus zwei seitlichen Gestellen (Böcken?)die mit Andreaskreuzen und Quer- und Längshölzern ausgesteift sind. In diese Böcke sind die Auflager der Bälge und der Waagbalken für die Balgwippen eingezapft. Die Balkendimensionen wurden so groß wie möglich gewählt, um ein Durchbiegen, Bewegen und Knarren während des Betriebes zu vermeiden.

Die Bälge bestehen ganz aus Fichtenholz, die Balgplatten sind als Fichtentafeln von 45 mm Dicke ausgeführt. Die untere Balgplatte ist mit zwei flachen Gratleisten gesichert, die obere Platte mit einer hohen Gratleiste an der Aufgangsseite.

Die 6mm dicken Falten sind nach hinten ausgedünnt und mit Gurtbandschanieren und feinem weißen Schafleder miteinander verbunden. Die Zwickelecken werden zusätzlich durch kleine Lederhauben geschützt. Der Faltenöffnungswinkel beträgt 60 Grad, der maximale Balgaufgang 70 cm. Die Fangventile wurden nach Dom Bedos gebaut, sie bestehen aus 4 Ventilen in einem Rahmen der von außen auf der Balgplatte befestigt wird.

Die Windanlage beginnt mit zwei Kanalstutzen, die in die untere Balgplatte eines jeden Balges geschoben werden und selbst auf einem waagrechten Kanalstück sitzen. Diese 6 Kanalstücke (6 Bälge) münden (jeweils zwei auf einer Ebene) in einen Sammelkanal. An der Mündung in diesem Sammelkanal sitzen die Kropfventile, die durch Wartungsöffnungen ausgebaut werden können. Durch einen Querkanal ist der Sammelkanal mit dem Hauptkanal verbunden. Dieser steht hinter der Orgel in der Mitte und reicht vom Boden bis zum Scheitel des Mauerbogens.

In jeder Etage der Orgel zweigen von ihm die Windladenkanäle ab. Die Kanalquerschnitte berechneten wir nach der alten Kanalöffnung der C- Lade des Unterpositives. Dabei stellte sich heraus, daß der Registerwert mit dem, damals bei der Firma Georg Jann benutzten, übereinstimmte. Dementsprechend gewaltig ist der Querschnitt des Hauptkanals. Als wir die Balganlage zum ersten Mal in Betrieb nahmen, stellten wir erleichtert fest, daß die Gutachten von 1831 nicht übertrieben hatten. Die Orgel hat wirklich mehr als ausreichenden Wind und er ist selbst für moderne Ansprüche sehr gleichmäßig. Obwohl alle Ladenkanäle in den Hauptkanal münden ( die Kanäle des Pedals nur wenige Zentimeter von denen des Hauptwerkes entfernt) beeinflußt das Pedal (immerhin labial 16‘ 16‘ 8‘ 4‘ und lingual 16‘ 8‘ 4‘ 2‘) in keiner Weise die Manualwerke. Nur mit extremen Mitteln ( Stakkato im Vollen Werk ) bringt man die Bälge zum Stoßen. Der Grund für die ungewöhnliche Windstabilität liegt für uns in den großen Kanalquerschnitten und im sehr großen Balgvolumen. Es fiel uns auf, daß nicht nur ein Balg Wind abgibt, sondern meist 3 - 4 Bälge beteiligt sind. Diese Beobachtung wurde noch bestätigt als wir eine Wartungsöffnung verglasten und so die Kropfventile beobachten konnten. Es zeigte sich, daß auch scheinbar unbeteiligte Bälge den Winddruck "konstant" halten, wenn besonders viel Wind verbraucht wird. Die Kropfventile öffnen sich oft nur kurz für wenige Millimeter wenn der Winddruck stärker abfällt. Die Orgel hat keine Stoßfänger, diese Funktion übernehmen die Bälge selbst auf die gleiche Weise nur mit wesentlich mehr Volumen.

Als Anmerkung:
Historische Informationen zur Windversorgung der Stieffell Orgel in Rastatt:

"..Diese Orgel erfordert 6 Blasbälg, jeder 7 Schuh lang, 4 Schuh breit, diese werden mit dem best franzoesischem weichen Schaaf Leder beledert" Stieffell Angebot vom 17.10.1824

6."Die Windführung, eine Hauptsache bei jeder Orgel, ist hier ausgezeichnet. Das Werk erhält durch 6, vorzüglich gearbeitete Bälge mehr als hinlänglichen und, was besonders zu loben ist, vollkommen gleichen Wind." aus Gutachten des Dompräbendars Lump und Joseph Bader Sohn 14.10 1831

1873 Umbau durch die Werkstatt Voit

Entfernung der 6 "zu kleinen" Bälge.
Einbau zweier Kastenbälge, die bis ca. 1960 in Funktion bleiben.

aus Festschrift zur Wiedereinweihung der historischen Stieffell Orgel St. Alexander Rastatt ; Martin Dücker, erzb. Orgelinspektor S.11 /14/16